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Wie findet man den passenden Neopren und worauf gilt es bei Anprobe und Kauf zu achten?

Sportklamotten zu shoppen, macht ja eigentlich riesengrossen Spass. Spätestens dann, wenn es um die Neuanschaffung eines Neopren-Schwimmanzuges geht, wandelt sich die Shopping-Lust jedoch schnell in Shopping-Frust. Denn auf dem Markt gibt es eine schier unüberblickbare Vielfalt von Neopren-Schwimmanzügen. Dicke und dünnere, lange und kurze, mit und ohne Ärmel, mit langen und kurzen Beinen, Reissverschluss vorne oder hinten.

Wo anfangen? Neopren-Anzüge weisen – je nach Modell – zwei primäre und im Vergleich zum Schwimmen in den Badehosen entscheidende Eigenschaften auf: Sie halten den Körper warm und spenden Auftrieb. Vor ein paar Jahren noch kam ein Neopren wie steife, klobige Raumfahrt-Bekleidung daher, in der man sich kaum gescheit bewegen, geschweige denn geschmeidig schwimmen konnte.

Heutige Schwimmanzüge sind demgegenüber Haute Couture und mit diversen Materialien, Schnittformen und Dicken von 0,5 bis 5 und mehr Millimeter erhältlich. Meist weisen die Ganzkörper-Anzüge an den Oberschenkeln, Hüften und am Bauch eine Dicke bis 5 mm auf, während Arme, Schultern und Ellbogenbereich mit weniger Material auskommen. Dies, um eine grösstmögliche Beweglichkeit bei maximalem Auftrieb und guter Wärmeisolation zu garantieren.

Einen auf die individuellen Bedürfnisse angepassten, perfekt sitzenden Neopren-Anzug zu finden, ist also heute keine Utopie mehr – kann aber bei hohen Ansprüchen schnell ins Geld gehen. Top-Anzüge kosten leicht einmal um die 700 Franken. Einsteigermodelle sind bereits ab 200 Franken zu haben. Das oberste Gebot für den Neopren-Test und-Kauf lautet: viel Zeit einplanen. Und: Gute Vorbereitung ist die halbe Miete. Wobei das mit der Miete durchaus wörtlich verstanden werden kann. Denn viele Händler vermieten das «Kleine Schwarze» gegen eine geringe Gebühr. Auswahl und Anprobe wollen jedoch auch da sorgfältig geplant sein, um Überraschungen im Wasser zuvorzukommen.

1. Einsatzgebiet definieren

Bei der Wahl eines geeigneten Neoprens müssen die schwimmerischen Fähigkeiten des Sportlers und die Einsatzgebiete des Anzugs gegeneinander abgewogen werden. Je schlechter der Schwimmer und je kälter das Wasser, desto dicker, wärmer und länger (lange Arme und lange Beine, geschlossener Hals) sollte ein Neopren sein. Dieser sorgt nicht nur für Wärmeisolation, sondern vor allem auch für Auftrieb, was schlechten Schwimmern die Wasserlage massiv verbessert.

Schätzen Sie ab, ob Sie den Anzug vor allem im heimischen Süsswasser oder im tropischen Salzwasser benützen wollen. Erstere weisen in der Wettkampf-Saison oftmals kühle 15-22 Grad auf, während letztere wärmere Wassertemperaturen und – je nach Salzgehalt – hohen Auftrieb erwarten lassen. Wer Wettkämpfe hauptsächlich im Salzwasser bestreitet, kann einen dünneren und kürzeren Neo wählen, ohne Abstriche im Auftrieb in Kauf nehmen zu müssen.

In welcher Schwimmart gedenken Sie, die Wettkämpfe zu absolvieren? Kraul oder Brust? Wie lange werden die Strecken sein? Wie gut schwimmen Sie überhaupt? Kommt es Ihnen auf der Schwimmstrecke auf Sekunden an? Oder geht es darum, möglichst kraftsparend durchs Nass zu kommen?
Schlechte Kraulschwimmer wählen mit Vorteil einen Ganzkörper-Neopren aus, der an den Beinen, Hüften und am Bauch 5 mm, im Schulterbereich hingegen nur 1-3 mm aufweist. Damit profitieren Sie von maximalem Auftrieb bei gleichzeitiger Beweglichkeit im Armzug.

Brustschwimmer tun sich keinen Gefallen, wenn der Anzug zu viel Auftrieb generiert, da die Beine womöglich aus dem Wasser ragen, was das Brustschwimmen deutlich erschwert. Sinnvoll sind da – natürlich angepasst an die Temperatur des Einsatzgewässers – 2-3 mm an den Oberschenkeln, während die Unterschenkel 0,5-1 mm aufweisen oder ganz freiliegen. Je nach Wettkampf-Reglement (der Swiss Olympic Gigathlon z.B. verlangt bedeckte Knie und Ellbogen!) macht beim Brustschwimmen der Einsatz eines Neopren-Shorty mit kurzen Beinen und Armen Sinn.

Gute Kraulschwimmer entscheiden sich vorab, ob sie vor allem entspannt aus dem Wasser kommen oder vorne in der Spitzengruppe mitmischen wollen. Man achte auf viel Beweglichkeit im Schulterbereich (1-3 mm) und ausreichenden Auftrieb am Rumpf, damit man auf der Schwimmstrecke die Beine auch mal hängen lassen kann, ohne merklich an Tempo zu verlieren. Sehr gute Schwimmer mit hoher Wasserlage wählen eher dünnere Materialien mit maximaler Bewegungsfreiheit oder kürzere Modelle und achten dabei noch auf unterstützende Kompression, wie sie bei einigen (teuren) Spitzenmodellen angeboten werden.

2. Modelle und Anzüge vor dem Test studieren

Nachdem Sie nun definiert haben, was Ihnen an einem Neopren wichtig ist, geht es darum, das passende Modell zu entdecken. Erkundigen Sie sich, welche Marken Ihr Sportfachhändler führt bzw. welche Modelle am Neopren-Testschwimmen in Ihrer Region angeboten werden und recherchieren Sie die Auswahl im Internet. Welche Modelle entsprechen am ehesten Ihren Vorstellungen? Welche möchten Sie in erster Linie testen, welche Alternativen kommen in Frage? Wer schon daheim klare Vorstellungen von seinen Wunschmodellen hat, kann beim Testschwimmen viel Zeit und Energie sparen.

3. Messen Sie sich aus

Die namhaften Neopren-Hersteller führen eigene Grössentabellen und definieren die Grössen über Eckpunkte wie Körpergrösse und Gewicht. Konsultieren Sie diese Tabellen und messen Sie sich aus. Denken Sie aber daran: Der perfekte Sitz wird erst mit Anprobieren und Direktvergleich gefunden. Sollte die Grössentabelle nicht auf Ihre Körpermasse passen, können bei der Länge Abstriche in Kauf genommen werden.

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Lange, dünne Schwimmer wählen also besser einen Anzug, der an Armen und Beinen zu kurz ist, als einen zu grossen, der am Rumpf nicht perfekt anliegt. Ob der Neopren nur bis in die Mitte der Wade reicht, hat auf Auftrieb und Isolation keinen spürbaren Einfluss. Umgekehrt gilt: Zu lange Arme und Beine können zur Not am Ende abgeschnitten werden. Viele Hersteller sehen das vor und bieten an den Extremitäten extra verklebte Nähte an, die nach einem Anschnitt nicht ausfransen. Und: Sehr flexible, dehnbare (meist teure) Anzüge dürfen gar eine Nummer kleiner geschwommen werden als die Grössentabelle dies vorsieht.

4. Neopren anziehen und testen

Mit Samthandschuhen anfassen: Beim Anziehen eines Neoprens kommen die sprichwörtlichen Samthandschuhe zum Einsatz. Denn spitze Fingernägel können das Gewebe beschädigen und die positiven Eigenschaften des Anzugs merklich mindern. Daher immer ein, zwei Paare Einweg-Handschuhe aus Latex oder Gummi (gibts in der Haushaltabteilung der Grossverteiler) mitführen oder dünne Wollhandschuhe einpacken.

Beine nach links drehen und einsteigen: Ein perfekt passender Neopren muss satt sitzen. Daher erweist sich das Anziehen desselben als recht mühsam und darf gut und gerne 10 bis 20 Minuten dauern. Stülpen Sie den Anzug von innen nach aussen und steigen Sie erst einmal mit einem Fuss ein. Der Reissverschluss zeigt dabei nach hinten. Einfacher gehts, wenn man sich dünne Plastiktüten über die Füsse zieht und den Neopren darüber rutschen lässt. Vorsicht vor zu langen Tüten: Bei engem Sitz kann es passieren, dass man die Tüte kaum mehr rausziehen kann und am Ende Plastikfetzchen im Anzug hat. Nun ziehen Sie den Neo an der Innenseite bis über das Knie hoch, bevor die andere Beinseite den Gummischlauch betritt.

Am besten arbeitet man sich nun Zentimeter für Zentimeter bis zur Hüfte hoch, wobei man den Anzug so lange wie möglich nur an der Innenseite anfasst. Bereits jetzt darauf achten, dass der Anzug keinerlei Falten wirft und Sie ihn ganz deutlich und satt in den Schritt und über die Hüften hochziehen. Die Beinabschlüsse dürfen bei langen Menschen bis Mitte der Waden reichen, solange das Material im Schritt eng sitzt.

Arme aufziehen: Je nach Dicke des Materials an den Ärmeln geht man wie bei den Beinen vor: Einen Plastiksack über Hände und Handgelenke ziehen und in den Anzug gleiten. Ab jetzt lässt es sich kaum mehr vermeiden, den Anzug auf der heiklen Aussenseite anzufassen. Daher: Vorsicht mit Fingernägeln! Am besten nur mit der ganzen Handfläche an den Armen ziehen oder sich helfen lassen. Darauf achten, dass allfällige Nähte parallel verlaufen und die Ärmel bis unter die Achseln hochgezogen werden, um maximale Bewegungsfreiheit zu erreichen. Der Anzug darf nirgends Falten oder Blasen werfen.

Hals einschmieren oder abdecken: Vielen Triathleten ist der Halsausschnitt ihres Neoprens zu eng. Sie weisen nach kurzer Zeit schmerzhafte Scheuerstellen auf. Wer damit Probleme hat, achtet beim Kauf auf einen Neo ohne Stehkragen und zieht den Neopren so weit wie möglich hoch. Der Neo muss am Hals etwas eng sitzen, damit kein Wasser eindringt. Darüber hinaus empfiehlt es sich, den ganzen Nacken mit einer erdölfreien Hautschutz-Creme (z. B. BodyGlide, Hirschtalg, keine Vaseline, da sie das Material angreift!) einzureiben oder die empfindlichen Stellen gar mit einem Sporttape abzudecken.

Reissverschluss verstauen: Die meisten Anzüge weisen am Rücken einen Reissverschluss mit langem Bändel auf. Mit dem Bändel kann man den Neo in den Wechselzonen leicht selber an-und wieder aufziehen. Die Kehrseite der Medaille: Konkurrenten im Wasser verheddern sich leicht am Bändel und öffnen einen dadurch im schlimmsten Fall den Rücken. Falls der Neo am Nacken einen Klettverschluss aufweist, darauf achten, dass der Reissverschluss-Bändel unter dem Verschluss hindurch geführt wird. Am besten lässt man sich bei diesem Schritt helfen.

In der Hauptschwimmart testen: Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit! Der Neopren ist angezogen und sollte satt und eng – an Land sogar ein wenig zu eng – sitzen. Stürzen Sie sich in die Fluten und testen Sie den Neopren in jener Schwimmart, in der Sie dann auch im Wettkampf schwimmen. Fragen Sie sich nach 10-15 Zügen ganz bewusst, ob sich der Neo irgendwo aufbläht und Blasen wirft.

Sind Wasserströme zu spüren, die deutlich durch den Neopren fliessen? Engen gewisse Stellen ein oder fühlen sich unbequem an? Fühlen Sie sich beim Armzug im Schulterbereich behindert? Wünschen Sie mehr Auftrieb? Frieren Sie schon nach 10 Zügen? Wird eine Frage mit Ja beantwortet, deutet dies auf einen Mangel hin. Was also tun? Entweder nochmals an Land gehen und den Neopren mit Handschuhen zurechtrücken, wo Falten entstanden sind. Oder zurück auf Feld 1 und einen anderen Neopren anziehen.

Purzelbäume schlagen: Wer die obigen Fragen mit Nein beantworten konnte, fühlt sich allem Anschein nach schon mal wohl im Neopren. Ein gutes Zeichen! Jetzt geht es darum, die Schwachstellen kennenzulernen. Testen Sie den Neo, indem Sie auch andere Schwimmarten ausprobieren oder gar mal einen Purzelbaum im Wasser schlagen. Tauchen jetzt irgendwo deutliche Luft-oder Wasserblasen oder Scheuerstellen auf? Dann geben diese Hinweise darauf, wo der Anzug noch nicht perfekt sitzt. Am besten nochmals kurz an Land mit Handschuhen nachbessern und dann wieder ins Wasser. Wenn sich der Neopren jetzt wie eine zweite Haut anfühlt, dürfte es an der Zeit sein, die Kreditkarte zu zücken!

Neopren ausziehen: Den Anzug auf der Innenseite anfassen, ihn bis zu den Füssen rollen und am Ende nur mit den Füssen auf die Beinenden stehen. Das hat den Vorteil, dass man sich nicht bücken muss, keine Krämpfe einfängt und beim Ausziehen mit den Händen das Material nicht verletzt.

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