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Die begeisterte Läuferin Melanie Weilenmann dachte sich zunächst wenig dabei, als nach dem Absetzen der Pille ihre Menstruation ausblieb. Als diese dann aber über ein Jahr auf sich warten liess, wurde sie stutzig und begann sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Ein Erlebnisbericht.

«Nun, ich würde Ihnen empfehlen, dass wir bald mit Hormonen nachhelfen». Es war im Winter 2020, und ich sass zum wiederholten Male bei meiner Gynäkologin. Zu diesem Zeitpunkt war ich 30 Jahre alt und meine Periode war bereits seit über zwei Jahren ausgeblieben.

Doch von Anfang an. Zum Jahreswechsel 2019 hatte ich beschlossen die Pille abzusetzen, da ich schon lange einen Widerstand gegen die künstlichen Hormone verspürte, die ich jahrelang eingenommen hatte. Je mehr ich mich informierte, desto mehr widerstrebte es mir das Medikament einzunehmen. Ausserdem häuften sich die Nebenwirkungen. Ich hatte immer wieder mit Kopfschmerzen, Wassereinlagerungen und schlechter Stimmung zu kämpfen.

Da mein Zyklus schon als Teenager sehr unregelmässig und sensibel war, hatte ich eine Vorahnung, dass sich meine Periode lange nicht würde blicken lassen. Dass sie aber so lange ausbleiben könnte, damit hatte ich nicht gerechnet.

Das Jahr 2019 verging wie im Flug. Als begeisterte und ambitionierte Läuferin nahm ich an vielen Wettkämpfen teil. Nachdem ich mich die Jahre zuvor auf die Langdistanz fokussiert hatte und den Marathon zweimal unter drei Stunden verbuchen konnte, konzentrierte ich mich vermehrt auf kurze Läufe. Im Sommer musste ich meine Masterarbeit abgeben und hatte nicht mehr so viel Zeit für lange Trainingsläufe. Trotzdem kamen durchschnittlich 60 Wochen-Kilometer zusammen.

Dass ich nun «hormonfrei» war, beeinflusste meine Leistungen nicht negativ. Im Gegenteil. Meine Stimmung war besser, ich spürte mich wieder mehr. Ausserdem verschwanden die Kopfschmerzen und die lästigen Wassereinlagerungen. Dass sich meine Periode noch nicht blicken liess, beunruhigte mich nicht besonders. Mein Körper war in Höchstform. Ich konnte das Jahr in meiner Kategorie mit einem 3. Gesamtplatz am «Zürilauf Cup» abschliessen und im November gelang mir am Frauenfelder in 1:21:13 Stunden mein schnellster Halbmarathon.

Erste Zweifel nach einem Jahr

An Weihnachten 2019 war ich dann doch etwas beunruhigt. Nun war ich ein Jahr ohne Periode. Ich fühlte mich zwar fit, doch fiel mir auf, wie trocken meine Haut war und dass meine Haare ausfielen. Ausserdem fühlte ich mich irgendwie «nicht ganz Frau». Dieses Gefühl zu beschreiben ist sehr schwierig. War mein fordernder Lebensstil mit dem ganzen Sport doch zu viel für meine Hormone? Eine leise Stimme plagte mich.

Ich ging zur Frauenärztin. Diese war zwar etwas besorgt, doch auf meine Fragen zum Sport ging sie nicht gross ein. Dies sei nur für sehr untergewichtige Frauen ein Problem. Da ich Normalgewicht hatte, könne ich ruhig so weiterfahren. Im Ultraschall erkannte sie Hinweise, dass ich an einem PCO-Syndrom leiden könnte. Das PCO-Syndrom zeichnet sich durch viele kleine Eibläschen im Eierstock aus, die die Fähigkeit verloren haben, zu einem reifen Follikel heranzuwachsen. Dass dieses Bild bei den meisten Frauen ohne Periode auftaucht, war mir damals noch nicht klar. Sie konnte mir nicht weiterhelfen. Das Einzige was sie mir anbieten könne, seien Hormone, um meinen Zyklus «anzukicken». Ich lehnte dankend ab.

Ausbleibender Zyklus weit verbreitet

In der folgenden Zeit begann ich mich mehr und mehr mit dem weiblichen Zyklus zu beschäftigen. Als Pflegewissenschaftlerin hatte ich schon immer eine Leidenschaft für Gesundheitsthemen. Eine Zeit lang verschlang ich jedes Buch und jede Studie, welche ich in die Finger kriegen konnte. Ich realisierte, dass ausbleibende und unregelmässige Zyklen bei Sportlerinnen leider keine Seltenheit sind. Laut einer Studie (De Souza et al., 2010) haben rund 50% der aktiven Sportlerinnen im Alter von 18-35 Jahren einen unregelmässigen Zyklus und bis zu 30% leiden unter ausbleibenden Perioden. Viele haben sogenannte anovulatorische Zyklen: Die Periode kommt zwar, aber es findet kein Eisprung statt, und folglich bleibt auch der Kinderwunsch erfolglos.

Bei den untersuchten Frauen handelte es sich um normalgewichtige Sportlerinnen, die durchschnittlich 7,5 Stunden pro Woche sportlich aktiv waren. Eine weitere Studie zeigte, dass aktive Läuferinnen besonders gefährdet sind. Obwohl ich mich häufig in Sportlerinnen-Kreisen bewegte, war mir nicht bewusst, dass ich bei weitem nicht die Einzige mit diesem Symptom war.

Pille «maskiert» die Problematik

Da viele Frauen die Pille oder andere hormonelle Verhütungsmittel einnehmen, ist das Problem sozusagen maskiert. Viele Frauen ahnen nicht, dass sie ohne künstliche Hormone keinen normalen Zyklus hätten. Durch die Pille wird der natürliche Zyklus lahmgelegt und künstlich übersteuert. Meist erfolgt die Pilleneinnahme im 28-Tage-Zyklus. Sie wird 21 Tage durchgenommen, danach erfolgt eine siebentägige Pause. In dieser Phase kommt es zur sogenannten Abbruchblutung, der Körper reagiert auf die Hormonpause mit einer Blutung. Diese hat allerdings hat keinen medizinischen Nutzen. Sie wurde erfunden, um den natürlichen Zyklus nachzuahmen und somit die Akzeptanz der Frauen zu erhöhen.

Hormone als vermeintliche Lösung

Bei Zyklusunregelmässigkeiten werden immer noch häufig künstliche Hormone verschrieben, um den Zyklus zu regulieren. Das war für mich aber keine Option, denn ich wusste: Sobald man diese absetzt, ist das ursprüngliche Problem wieder da. Also machte ich mich weiter auf die Suche nach den Gründen für meine ausbleibende Periode.

Ein weiterer grosser «Augenöffner» für mich war das Buch «No period, now what?», welches leider nur auf Englisch verfügbar ist (Rinaldi, Buckler & Sanfilipo Waddel, 2016). Ich erkannte, dass ich nicht an einem PCO-Syndrom leiden konnte, wie meine Frauenärztin vermutet hatte, sondern dass es sich vielmehr um eine hypothalamische Amenorrhoe handeln könnte. Dieses Krankheitsbild beginnt nicht in den Eierstöcken, sondern bereits im Gehirn. Der Hypothalamus ist die Schaltzentrale im Gehirn, welche wichtige Körperfunktionen wie Schlaf, Appetit, Körpertemperatur und auch unseren weiblichen Zyklus regelt. Bei einer Frau mit hypothalamischer Amenorrhö setzt der Hypothalamus nicht genug der entsprechenden Hormone frei. Die Eizelle kann nicht optimal heranreifen, es findet kein Eisprung und somit keine Periode statt.

Verzerrtes Aussenbild

Unter einer hypothalamischen Amenorrhoe versteht man vereinfacht gesagt das Ausbleiben der Periode aufgrund von Stress. Der Stress kann dabei mentaler oder körperlicher Natur sein. Vielfach ist es eine Mischung aus beidem. Was viele Frauen nicht wissen: Nicht nur das, was wir normalerweise unter Stress einordnen, wie Zeitdruck oder überfordernde Situationen, kann auf den Körper wirken. Auch zu viel oder zu intensiver Sport, ein Kaloriendefizit, Nährstoffmängel, seelische Belastungssituationen und negative Glaubenssätze sind physiologische Stressoren und können Zyklusstörungen auslösen.

Von hypothalamischer Amenorrhoe betroffene Frauen sind häufig sehr leistungsorientiert und perfektionistisch veranlagt, haben hohe Ansprüche an sich selbst und machen sich viele Gedanken über ihr Bild gegen aussen. In dieser Beschreibung erkannte auch ich mich bestens. Auch mir war es damals sehr wichtig, immer meine beste Leistung zu erbringen, sei es im Sport, im Studium oder im Beruf. Zufrieden mit den Resultaten war ich aber selten, schliesslich wäre alles immer noch besser möglich gewesen. Dass mich diese Ansprüche immer mehr erschöpften, sowohl mental als auch physisch, erkannte ich erst im Nachhinein.

Leider wird die Diagnose «Hypothalamische Amenorrhö» oft nur untergewichtigen Leistungssportlerinnen zugeschrieben, dabei sind auch viele Freizeitsportlerinnen betroffen. Das Gemeine daran: Die hypothalamische Amenorrhoe ist nicht sichtbar. Im Gegenteil: Betroffene Frauen werden oft für ihren gesunden Lebensstil und ihr sportliches Aussehen bewundert.

Damokles-Schwert Osteoporose

Eine ausbleibende Periode oder Zyklusstörungen bringen meist noch weitere Symptome mit sich. Wenn das Hormonsystem durcheinander ist, hat dies Auswirkungen auf den ganzen Körper. So kann es zu Schweissausbrüchen, unerklärlichen Gewichtsschwankungen, Konzentrationsstörungen, Haarausfall, trockener Haut, starker Erschöpfung, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen kommen.

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Die gefürchtetste Folge einer ausbleibenden Periode ist jedoch die Auswirkung auf die Knochendichte, da dies im Gegensatz zu den anderen Symptomen nicht rückgängig gemacht werden kann. Die Knochendichte nimmt mit jeder verpassten Menstruation weiter ab, und wenn nicht rechtzeitig eingelenkt wird, können irreversible Verluste an der Knochensubstanz entstehen, die zu einem lebenslang erhöhten Frakturrisiko führen. Betroffene Sportlerinnen neigen daher häufiger zu Stressfrakturen und die Gefahr ist gross, dass man im Alter an Osteoporose erkrankt.

Die Auswirkung auf die Knochendichte machte auch mir grosse Angst. Dennoch fiel es mir nicht leicht den Sport aufzugeben, war er doch immer meine grosse Leidenschaft. Und er gab mir einen Halt, den ich ungern aufgeben wollte. Ich beschloss daher im Frühling 2020 noch ein letztes Mal einen schnellen Marathon zu rennen und mich danach intensiv meinem Periodenproblem zu widmen.

Geplatzter Marathon-Traum

Um diese Zeit bemerkte ich plötzlich, wie mir mein Körper noch andere Zeichen schickte. Ich verzeichnete unerklärliche Leistungseinbrüche und das Marathontraining verlief nicht zufriedenstellend. Das Training viel mir schwerer als gewohnt und ich musste mich oft dafür aufraffen. Ich fühlte mich erschöpfter, schwerfälliger und erholte mich nicht so leicht.

Kurz vor einem Test-Halbmarathon hatte ich auch plötzlich Fussschmerzen. «Nur noch dieses eine Mal», dachte ich mir und versuchte mein Lauftraining mit Indoor-Radeln zu kompensieren. Und dann kam Corona. Mit einem Mal verpuffte der grosse Marathon-Traum. Wie viele Menschen war ich verunsichert durch die neue Situation. Trotzdem beschloss ich mein Marathontraining zu Ende zu führen, um wenigstens ein bisschen Struktur in diesem so neuen Alltag zu behalten. Schlussendlich absolvierte ich einen virtuellen Wettkampf und begann danach das Training zu reduzieren. Aber nichts passierte.

Healing-Season statt Running-Season

Nun bereitete mir meine ausbleibende Periode doch langsam grosse Sorgen. Es war nun schon über anderthalb Jahre her, seitdem ich die Pille abgesetzt hatte. Um etwas zu unternehmen, begann ich in dieser Zeit mit Akupunktur und probierte diverse Nährstoffergänzungen und Tees aus. Ohne Erfolg. Im Herbst realisierte ich dann, dass ich grundsätzlich etwas verändern muss.

Ich begann den Sport noch mehr zu reduzieren. Doch je weniger ich machte, desto erschöpfter fühlte ich mich. Dass das ein Zeichen war, dass sich mein Körper nur die dringend gebrauchte Erholung holte, konnte ich damals nicht einordnen. Es irritierte mich und machte mir auch Angst. Verlor ich meine Identität als Sportlerin? Würde ich plötzlich nicht mehr dazugehören? Dieser Gedanke war sehr schmerzhaft. Und doch führte kein Weg daran vorbei, mich damit auseinanderzusetzen.

Die sportliche Betätigung fehlte mir physisch und mental, doch intuitiv wusste ich, dass es zu diesem Zeitpunkt wichtig war, einen Gang runterzuschalten. Viele Einheiten ersetzte ich durch gemütliche Spaziergänge in der Natur. Mein neues sportliches Mindset unterstützte mich in dieser Situation: Anstatt auf eine «Running-Season» richtete ich mich auf eine «Healing-Season» aus.

Studienobjekte immer Männer

Ich tauchte noch tiefer in das Thema Frauengesundheit ein. Was ich dabei entdeckte, erschreckte mich. Die meisten Studien im Gesundheitsbereich werden an jungen Männern durchgeführt und die Ergebnisse einfach auf Frauen übertragen. Der Grund: Frauen gelten aufgrund ihres Zyklus und den Hormonschwankungen als zu kompliziert für die Forschung. Was zudem die wenigsten Sportlerinnen wissen: Auch Trainings- und Ernährungsempfehlungen wie Nüchterntraining, hochintensives Intervalltraining (HIIT), Low Carb, Paleo-Diät oder Intervallfasten wurden vorwiegend am Prototyp Mann getestet und sind daher für Frauen oft nicht nur wirkungslos, sondern können gar schädlich wirken.

Mit diesem Wissen gelang es mir einfacher, geplante Veränderungen im Alltag anzugehen. Ein gewisses Mass an Laufsport und auch Krafttraining behielt ich nach wie vor bei, aber ich achtete penibel darauf, dass die Einheiten nicht zu intensiv und zu lang waren. Intervalleinheiten und Tempoläufe liess ich sein und alle Trainingseinheiten waren unter einer Stunde. Auch Nüchterntrainings, welche ich vorher sehr gerne absolviert habe, strich ich aus dem Trainingsprogramm.

Ich achtete auf regelmässige Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten (insbesondere vor und nach dem Sport) und integrierte genügend Kohlenhydrate sowie wertvolle Fette, da diese für die Hormongesundheit von Frauen entscheidend sind. Obwohl ich immer dachte, ich esse genug, hatte ich wohl manchmal unbewusst für meinen gesamten Trainingsaufwand zu wenig Energie zu mir genommen.

Ein weiterer entscheidender Punkt für mich: Ich begann mich mehr mit meiner Weiblichkeit auseinanderzusetzen. Als emanzipierte Frau war ich es gewohnt den Männern gleichzutun und mich mit ihnen zu messen, nicht nur im Sport, sondern auch in allen anderen Lebensbereichen. Fortan forderte ich nicht mehr jeden Tag die gleiche Leistung von mir ein, sondern nahm Tag für Tag, wie es der weibliche Zyklus eigentlich ja auch vorgeben würde, wenn er vorhanden ist. Mein Alltag wurde insgesamt ruhiger und beinhaltete mehr Pausen und Regeneration.

Und endlich kommt sie

Im Januar 2021 hatte das grosse Warten endlich ein Ende: Plötzlich war meine erste Periode da. Ich freute mich riesig und konnte mein Glück kaum fassen. Mein Zyklus war aber noch nicht regelmässig und sehr abhängig von meinem Lebensstil. Insbesondere dann, wenn ich wieder in alte Muster verfiel, mir viel Stress machte oder es mit den Anforderungen an mich selbst übertrieb, machte sich das sofort mit einer verspäteten Periode bemerkbar. Es schien, als müsste mir mein Körper erst wieder vertrauen.

Im Herbst 2021 blieb meine Periode erneut lange aus. Doch dieses Mal aus einem anderen, erfreulichen Grund: Ich war schwanger. Und das, obwohl mir von allen Ärzten eine lange und komplizierte Kinderwunschzeit vorausgesagt wurde. Dies war für mich ein weiterer Beweis, dass mein Weg, auch wenn er sich holprig gestaltet hatte, der richtige war.

Etwas möchte ich zum Schluss noch teilen: Meine Erfahrung bedeutet nicht, dass Frauen keine sportlichen Höchstleistungen erbringen können, im Gegenteil. Aber ich bin überzeugt, dass wir mehr erreichen können, wenn wir mit anstatt gegen unser Körper arbeiten. Und das bedarf, dass wir uns mit unserem weiblichen Körper auseinandersetzen und nicht einfach den neusten Trends folgen. In diesem Sinne: Bleibt gesund und aktiv, aber auf weibliche Art und Weise!

Lesenswert zum Thema Menstruation im Sport ist auch das Interview mit der Sportärztin und ehemaligen Triathletin Sibylle Matter.

*Melanie Weilenmann lebt mit ihrem Mann und Tochter Linn im Kanton Zürich. Aufgrund ihrer eigenen Erfahrung und den neusten Erkenntnissen aus der Forschung hat sie sich beruflich auf Frauengesundheit spezialisiert. Mit ihren Online-Beratungen und Onlinekursen unterstützt sie Frauen, die auf natürliche Weise ihren Zyklus und Fruchtbarkeit regulieren möchten. Infos und Angebote unter www.melanieweilenmann.com oder auf Instagram unter melanie.weilenmann

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