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Die ernährungsbedingte Übersäuerung ist ein beliebtes Gesprächsthema. In der Forschung hält sich das entsprechende Interesse aber in Grenzen. Der Grund: Der Körper hat einen allfälligen Säureüberschuss durch die Ernährung im Griff und dieser ist daher kein Problem.

Unser Körper ist ein wahres Wunderwerk. Die vielen Reaktionen im Stoffwechsel laufen wie von Geisterhand geregelt und ohne unser aktives Mitwirken ab. Dies gilt auch für den Säure-Basen-Haushalt, der zwar nur einen kleinen Bereich des Stoffwechsels darstellt, aber dennoch äusserst komplex ist. Gleich mehrere körpereigene Systeme und Organe sorgen für das Gleichgewicht zwischen den Säuren und Basen im Körper. In einem cleveren Zusammenspiel verhindern sie eine chronische Übersäuerung, ohne dass wir aktiv eingreifen müssen.

Laktat als Puffer

Die biochemischen Reaktionen im Stoffwechsel können nur unter bestimmten Voraussetzungen ablaufen. Eine davon ist ein bestimmter Säuregehalt in den Zellen und im Blut, weshalb der Körper genau überwacht, wie «sauer» es um ihn steht. Über diverse Systeme puffert er dabei die Säuren ab, die bei den normalen, täglich ablaufenden Reaktionen entstehen, und verhindert so eine chronische Übersäuerung.1

Niere, Leber und Lunge sind die wesentlichen an der Pufferung beteiligten Organe. Zu den Puffersystemen zählen der Bikarbonat-Puffer, der rote Farbstoff in den Blutkörperchen (das Hämoglobin) sowie diverse weitere Proteine, die Phosphate und – das Laktat. Letzteres mag erstaunen. Aber im Gegensatz zum landläufigen Glauben ist das Laktat während sportlicher Tätigkeiten nicht Ursache einer Übersäuerung, sondern das Gegenteil: Es puffert die Säuren ab, die während des Sports entstehen.2

Die Herkunft der Säuren

Die Säuren im Stoffwechsel entstehen beim Abbau diverser Stoffe und der daran gekoppelten Energiebereitstellung. Bei ausgesprochen geringer körperlicher Aktivität stammen die Säuren hauptsächlich aus der Verbrennung der Kohlenhydrate und Fette aus der Ernährung. Sie entstehen dabei entweder direkt in Form von Wasserstoff-Ionen, die Protonen, oder indirekt über das Endprodukt der Verbrennung, das Kohlendioxid. Im Zellinneren oder im Blut gibt das Kohlendioxid seinerseits rasch Protonen ab und trägt so zur normalen Säurebildung bei.

Bei regelmässigem Sport erhöht sich über die Energiebereitstellung in den Muskeln die produzierte Säuremenge auf massive Weise. Wäre die Säureproduktion als Folge der Ernährung ein Problem, dem wir aktiv begegnen müssten, würde dies auch für die während des Sporttreibens gebildeten Säuren der Fall sein. Und als Konsequenz wären körperliche Aktivitäten oder Sporttreiben als potenziell gesundheitsgefährdend einzustufen.

Die Puffersysteme funktionieren aber dermassen gut, dass körperliche Aktivitäten selbstverständlich kein Problem darstellen und zu den effektivsten Massnahmen gehören, um die Gesundheit zu erhalten. Da die Säuren unabhängig von ihrer Herkunft gepuffert werden, hat der Körper auch mit den Säuren aus dem Stoffabbau aus der Ernährung kein Problem.

Säurebildung über Sport

Der Körper bildet bei einer üblichen Ernährungsweise täglich etwa 800 Gramm Kohlendioxid und 40 bis 80 Milligramm Protonen.3 Bei einer hochintensiven «All-out-Belastung» von nur drei Minuten entsteht mit 180 Milligramm Protonen bereits ein Vielfaches der Protonen, die während 24 Stunden über die Ernährung gebildet werden.4 Wenn die ernährungsbedingte Protonenmenge also ein Problem wäre, müsste die während einer dreiminütigen All-out-Belastung generierte Menge an Protonen katastrophale Auswirkungen haben. Dies ist aber nicht der Fall.

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Auch bei der indirekten Produktion von Säuren über das Kohlendioxid zeigt sich ein klares Bild. Während eines intensiven Trainings von etwas mehr als einer Stunde, nach dem man zwar erschöpft, aber nicht ausgelaugt ist, entsteht Plusminus die gleiche Menge an Kohlendioxid, wie während eines ganzen Tages als Folge der Ernährung. Regelmässiger Sport kann somit die tägliche Säureproduktion verdoppeln, ohne dass der Säure-Basen-Haushalt aus den Fugen gerät und ohne, dass wir aktiv bei der «Entsäuerung» helfen müssten.

Puffersubstanzen und sportliche Leistung

Bei hochintensiven Belastungen können die Puffersysteme aber kurzfristig an ihre Grenzen kommen. Dies ist normal und hat keinen langfristig negativen Einfluss auf die Gesundheit. Diese kurzfristige Übersäuerung bei hochintensiven Belastungen kann aber die Ermüdung beschleunigen und daher versucht man ihr über die Einnahme von Puffersubstanzen wie das Natriumzitrat oder Natriumbikarbonat entgegenzuwirken. Und es funktioniert tatsächlich. Puffersubstanzen können dazu beitragen, dass man hochintensive Belastungen etwas länger und auch etwas intensiver durchsteht.

Natriumzitrat und -bikarbonat gehören entsprechend zu den wenigen Supplementen mit echtem Potenzial, um die Leistung zu verbessern. Sie machen bei Leistungen im Bereich von einer bis weniger als zehn Minuten Sinn, bei denen substanzielle Mengen an Säuren entstehen. Da die möglichen Nebenwirkungen aber nennenswert sind – insbesondere ein akuter Durchfall während der Leistung –, sollte man Puffersubstanzen nur gut überlegt einsetzen und sie gründlich im Training testen. Die Swiss Sports Nutrition Society hat dazu ein Faktenblatt verfasst unter www.ssns.ch/sportsnutrition (> sporternährung > supplemente > supplementguide)

Kein Stress

Beim Säure-Basen-Haushalt gilt die Devise: Lassen Sie sich nicht stressen. Wer keine Erkrankung verfolgt, welche das Säure-Basen-Gleichgewicht massiv stört, braucht sich keine Gedanken zu machen. Der Stoffwechsel sorgt sich bestens darum und braucht unsere Unterstützung nicht. Natürlich gibt es auch hier die übliche Ausnahme. Saure Sportgetränke können den Zahnschmelz angreifen und das Entstehen von Karies erleichtern. Es empfiehlt sich daher, entweder auf säurearme, also pH-neutrale Sportgetränke auszuweichen, oder alternativ nach dem Konsum von Sportgetränken den Mund mit Wasser zu spülen. Spätestens unter der Dusche geht dies problemlos.

 

Quellen

  1. Brandes R, Lang F, Schmidt RF, eds. Physiologie des Menschen: Mit Pathophysiologie, 32nd edn. Springer-Lehrbuch. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, 2019
  2. Robergs RA. Comp.Biochem.Physiol.A Mol.Integr.Physiol., 2019; 235: 29–45
  3. Heinrich PC, Löffler G, eds. Biochemie und Pathobiochemie, 9th edn. Springer-Lehrbuch. Heidelberg: Springer, 2014
  4. Robergs RA. Physiol. Rep., 2021; 9: e14728

 

Ernährungs-Experte Dr. Paolo Colombani ist wissenschaftlicher Berater mit eigener Firma. Zusammen mit Dipl. Ing. ETH Christof Mannhart betreibt er «Notabene Nutrition«Notabene Nutrition», das Web-Magazin mit fundierten Artikeln zu Lebensmitteln, Supplementen & Healthy Living. www.colombani.ch; www.notabenenutrition.media

 

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