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Die Leistungsfähigkeit von Sportlern kann im Laufe eines Tages um bis zu 25 Prozent schwanken. Zu diesem Ergebnis kommen deutsche und britische Biowissenschaftler in einer Studie.

Das Phänomen ist längst bekannt und war bereits Thema unzähliger wissenschaftlicher Untersuchungen: Es gibt die «Lerchen» (Frühaufsteher) unter uns, die zu anderen Tageszeiten Bäume ausreissen können als die «Eulen», die entweder als «Nachtschwärmer» oder «Morgenmuffel» bezeichnet werden.

Während die einen schon fröhlich pfeifend nach dem morgendlichen Jogging unter der Dusche stehen, schleppen sich die anderen gerade über die schier unüberwindlich erscheinende Strecke zwischen Bett und Badezimmer, um dort nach ernüchterndem Blick in den Spiegel die Entscheidung zu treffen, wieder zurück in die Horizontale zu torkeln. Dabei sagen die beiden unterschiedlichen Typen noch nichts über den jeweiligen Fitness-Zustand aus – der vermeintliche Morgenmuffel kann gesamtkonstitutionell in der gleich guten Form sein wie die fröhliche Lerche – oder auch besser. Nur rufen beide Typen ihre Leistungen eben zu völlig anderen Tageszeiten ab.

Es ist noch gar nicht so lange her, da war man der Meinung, durch Disziplin und entsprechende Gewöhnungszeiten könne man den Biorhythmus «in eine neue Form» bringen. Sprich: Wer morgens eher schwer aus den Federn kommt, bräuchte sich nur eine Weile lang «zusammenzureissen», um dann irgendwann um 6.30 Uhr frühmorgens beim Frühtraining zusammen mit den Lerchen-Kollegen beschwingt seine Bahnen im Hallenbad zu ziehen. Und ganz offensichtlich war und ist dies vielen «Eulen» auch tatsächlich möglich – der Wille versetzt schliesslich Berge.

Verhältnismässig neu ist jedoch die Erkenntnis, dass die «Eulen» zwar ihren Körper in einen ungeliebten zeitlichen Rhythmus zwingen können, die jeweilige Leistungsfähigkeit sich aber keineswegs dem neuen Rhythmus anpasst. Oder anders formuliert: Lerche bleibt Lerche, Eule bleibt Eule, Disziplin, Selbstbeherrschung und Training hin oder her.

Genetik entscheidet

Der Grund: Der Biorhythmus ist genetisch verankert und kann nur in einem schwindend geringen Masse von «aussen» verändert werden. Der «zirkadiane Schrittmacher», die innere Uhr, ist ein winziger, im Zwischenhirn sitzender Zellhaufen. Der sogenannte «suprachiasmatische Nucleus» (SCN), der im Hypopthalamus liegt, leitet Signale an das Gehirn und animiert die Organe zur Hochleistung oder zwingt sie in die Ruhepause – je nach Tageszeit und Organ. Dieser Ablauf ist von Mensch zu Mensch verschieden und offenbar fest in jedem Individuum verankert. Was wiederum Rückschlüsse auf den richtigen Zeitrahmen für effizientes Training und für optimale Startzeiten bei Wettkämpfen möglich macht. Denn die frühere Annahme, Sportler seien vor allem in den späten Nachmittags- und frühen Abendstunden zu Höchstleistungen fähig, stimmt nur bedingt, nämlich für den Eulen-Typus. Für alle Lerchen verläuft um diese Uhrzeit die Leistungskurve längst steil bergab.

Studie mit Eishockeyspielern

Die britische Biochemikerin Elise Facer-Child und der Deutsche Roland Brandstaetter von der Universität Birmingham veröffentlichten zu Beginn dieses Jahres die Ergebnisse einer Studie, die sie 2014 mit (zunächst) über 120 Leistungssportlern erarbeiteten. Dabei ermittelten die beiden Wissenschaftler gemeinsam mit ihrem Team zunächst den Biorhythmus jedes einzelnen Probanden. Dies geschah durch Befragung zum Schlaf- und Aufstehverhalten sowie die gefühlten Leistungshöhepunkte im Laufe des Tages. Danach wurden unter allen Teilnehmern der Studie zwanzig «repräsentative» Sportler ausgewählt, die zumindest statistisch betrachtet einen «biorhythmischen Durchschnitt» darstellten. Dass unter dem Oberbegriff «Leistungssportler» ausschliesslich Hockeyspieler untersucht wurden, mag auf den ersten Blick ein wenig einseitig klingen. Doch eignen sich Hockeyspieler im besonderen Masse für sportwissenschaftliche Studien, vereinen sie doch in ihrer Sportart Ausdauer, Kraftspitzen und filigrane Koordination unter Höchstbelastung. Zwar wäre es wünschenswert gewesen, die Athleten mehrerer Sportarten unter gleichen Bedingungen miteinander zu vergleichen und auch die Fallzahl von 20 untersuchten Personen erscheint für eine repräsentative Darstellung sehr niedrig, doch sind gewisse Ansätze in der Studie aus Birmingham durchaus spannend und haben zukunftsweisenden Charakter.

Die beiden Biochemiker und ihr Team ermittelten zunächst in bekanntem Terrain. Sie definierten und filterten zuerst die bereits erwähnten Lerchen, also Frühmenschen, die im Laufe des Vormittags besonders fit sind. Dazu die «Misch- oder Mitteltypen», die um die Mittagszeit ihr Hoch erreichen und die Eulen, die erst am späten Nachmittag bzw. frühen Abend zu körperlicher Hochform auflaufen. Die beiden «Extreme» Lerchen und Eulen nahmen jeweils ein Viertel der untersuchten Gruppe ein, der Rest zählte zu den «Mischtypen». Die ausgewählten repräsentativen 20 Sportler aus allen Biorhythmus-Gruppen wurden nun spezifischen Ausdauer- und Kraftspitzen-Tests unterzogen. Und zwar zu sechs verschiedenen Uhrzeiten am Tag. Dabei wurde deutlich, dass – wenig erstaunlich zwar, aber mit den Untersuchungen eben wissenschaftlich untermauert – je nach innerer Uhr deutliche Leistungsunterschiede der einzelnen Typen zu den jeweiligen Tageszeiten auftraten.

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Unterschiede bis 26 Prozent

Interessant war dabei die Erkenntnis, dass bei den unterschiedlichen Biorhythmus-Typen auch unterschiedliche Zeitabläufe stattfinden. Früh- und Mitteltypen erreichten rund sechs Stunden nach dem Wecken bzw. Aufstehen ihr physisches Leistungshoch, also mittags bis früher Nachmittag. Die Eulen hingegen waren deutlich später in Bestform – erst elf Stunden nachdem der Wecker klingelte. Bleiben wir noch ein wenig bei den Eulen. Denn die zeigten in der Facer-Child/Brandstaetter-Studie auch die deutlichsten Leistungsunterschiede innerhalb eines Tages. Bis zu 26 Prozent schwankte die Form zwischen Tief (am Morgen) und Hoch (am Abend). Im Gegensatz dazu brachten es die Lerchen und Mittel-Typen auf Leistungsschwankungen von acht und zehn Prozent im Laufe eines Tages. Frühaufsteher und Mitteltypen (die mit Abstand den grössten Anteil der Probanden ausmachten) sind in ihrer Leistungsfähigkeit über den Tag verteilt somit ausgewogener leistungsfähig.

Ziehen wir zu diesem Ergebnis die bereits vor Jahren gewonnene Erkenntnis hinzu, dass etwa bei Olympischen Spielen die meisten Sieger als Lerchen gelten, dann gelangen Facer-Child und Brandstaetter zu folgerichtiger These: «Diese enormen Unterschiede könnten einen grossen Einfluss auf die Suche nach Talenten, die Einschätzung der Leistung eines Sportlers und den Erfolg bei Wettkämpfen haben!»

«Eulen» werden kaum Olympiasieger

Im Umkehrschluss bedeutet dies fatale Perspektiven für den Eulen-Sportler. Hat der Morgenmuffel und Spätaufsteher tatsächlich keine Chancen auf effizientes Training und Siege, weil er schlicht zu spät seine besten körperlichen und geistigen Leistungen abrufen kann? Rein statistisch betrachtet müsste die Antwort auf diese Frage «ja, dem ist genau so» lauten. Denn tatsächlich sind die Spätaufsteher unter den Sportlern offenbar deutlich benachteiligt. «Schon ein Prozent Leistungsunterschied entscheidet heutzutage über Sieg oder Niederlage», schreiben die Wissenschaftler in ihrer Studie und fügen entsprechende Beispiele an. «Bei den 100-Meter-Sprints während der Olympiade in Peking machte etwas mehr als ein Prozentpunkt mehr Leistungsfähigkeit unter den Sprintern bereits den Unterschied zwischen Blech- und Silbermedaille aus!»

Was können also erst 26 Prozent Leistungsunterschied im Laufe eines Tages anrichten? Nehmen wir auf Basis dieser Erkenntnisse ein anderes Beispiel aus dem Ausdauersport: den Ironman. Egal, wo auf der Welt – der Langdistanz-Triathlon wird frühmorgens gestartet und endet für die Spitzenathleten zwischen acht und neun Stunden später (also um etwa 15–16 Uhr), für die Hintersten erst um 23 Uhr. Nach den Erkenntnissen von Facer-Child und Brandstaetter dürften somit unter den Siegern kaum «Spätaufsteher» bzw. Eulen sein. Nicht weil sie vielleicht den Startschuss verschlafen könnten, sondern eher, weil ihre Leistungshöhepunkte auf ungünstige Zeiträume verteilt sind. Gehen wir davon aus, dass die siegeswillige «Eule» um fünf Uhr aufsteht, kommt sie zu ihrem biorhythmischen Leistungshöhepunkt zwischen 15 und 16 Uhr – gerade noch richtig für den Endspurt. Die Lerche und die Mischtypen können dagegen ihre Leistungshochs bereits früher abrufen, wenn auch der in der Regel nach einem Hoch folgende Leistungsabfall nicht zu unterschätzen ist.

Die Uhr in uns ist massgebend

Unabhängig von der Länge eines Wettkampfes bzw. dessen Startzeit ist jedoch die wichtigste Erkenntnis aus der Facer-Child/Brandstaetter-Studie die «Zahl» 26 Prozent: Dass die Spätaufsteher bzw. Eulen-Typen bis zu einem Viertel zusätzliche Leistung gegen Abend abrufen können im Vergleich zu ihrem Tief am Morgen, erscheint eklatant. Die Erkenntnis daraus? «Wir müssen von der Tageszeit wegkommen», empfiehlt Brandstaetter, «und mehr auf die inneren Zeitrhythmen achten.» Dabei gehe es eben nicht um die Uhr an der Wand, sondern um die Uhr in uns, ergänzt Facer-Child. Training sei eine Sache, so die Forscherin weiter, aber man müsse eben auch wissen, wann man die beste Leistung abrufen kann! Eine Erkenntnis, die gerade bei der Trainingsqualität eine tragende Rolle spielen könnte. Denn selbst für Frühaufsteher empfiehlt sich so der morgendliche Waldlauf, das ganz frühe Schwimmen oder die «Early-Morning-MTB-Tour» höchstens als «Wachmacher» und fürs Grundlagentraining, jedoch nicht als effiziente Schlüsseleinheit.

Die Rolle des Stresshormons

Doch woher kommen eigentlich die Leistungsschwankungen innerhalb des Biorhythmus? In vollem Umfang sind die Gründe für die Hochs und Tiefs im Laufe eines Tages noch nicht erforscht. Als sicher gilt mittlerweile, dass auch hierfür Hormone verantwortlich sind. So haben Lerchen am Morgen deutlich höhere Mengen Cortisol im Blut. Dieses Stresshormon aktiviert Stoffwechselvorgänge, die dem Körper energiereiche Verbindungen zur Verfügung stellen. Bei den Frühmenschen bleibt das Cortisol-Level über den Tag verteilt ungewöhnlich hoch, während die Spätaufsteher oder Eulen deutlich niedrigere Mengen des Hormons aufbauen. Zieht man nun hinzu, dass Cortisol eine wichtige Rolle bei der Muskelfunktion spielt, ist zumindest theoretisch nachvollziehbar, warum Eulen-Typen auch von Schlafforschern und eben Biochemikern per se ein niedrigeres Hochleistungspotenzial eingeräumt wird. Welche Erkenntnis kann aus den Ausführungen rund um die Studie der in Birmingham agierenden Biochemiker gezogen werden? Auch wenn nichts grundlegend Neues vermittelt wurde, wird doch untermauert und verdeutlicht, dass der Einfluss von Biorhythmus auf Training und Wettkampf als immer wichtiger eingeschätzt wird. Die bisherige Annahme, Sportler seien eher in den späten Nachmittags- und frühen Abendstunden zu Höchstleistungen fähig, kann zumindest für einen Grossteil der Menschen, nämlich die Frühaufsteher und Mischtypen, als widerlegt gelten.

Auch Motivation ist wichtig

Die Einheiten in den Abendstunden dürften demnach nur für die Eulentypen relevant sein – die Trainings- und somit Leistungseffizienz für Misch- und Lerchentypen wird dagegen beim abendlichen Spinning im Studio oder beim Waldlauf in der Dämmerung deutlich eingeschränkt sein. Was aber letztendlich trainingswissenschaftlich noch zu belegen sein wird. Und schlussendlich ist vor allem für Hobbysportler nicht nur die Effizienz eines Trainings massgebend, sondern auch die Motivation dafür und mögliche Einbettung in den Tagesablauf. Dennoch: Wer auf seine innere Uhr hört und seine Trainingszeiten nach dem Biorhythmus ausrichtet, kann mehr körperliche Leistung abrufen. Eine Erkenntnis, die mit Sicherheit nicht neu, aber immer fundierter ist. Inwiefern wir dieses Wissen auch in die Praxis umsetzen können, also beispielsweise Trainingseinheiten besser auf den Mittag oder frühen Nachmittag legen, steht auf einem anderen Blatt. Denn auch der Arbeitgeber will von den Leistungshochs im Biorhythmus seiner Mitarbeiter profitieren.

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