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Die Aminosäure Beta-Alanin soll die Ermüdung bei intensiven Belastungen hinauszögern. Die Meinung der Forschung ist jedoch gespalten.

Vor über 100 Jahren untersuchte der russische Chemiker Gulewitsch den beliebten Fleischextrakt von Liebig und entdeckte mehrere Stoffe (1). Zwei davon werden heute als Supplemente im Sport gehandelt: Carnitin und Carnosin. Während Carnitin zumindest in Fachkreisen skeptisch diskutiert wird, scheint Carnosin etwas mehr Fleisch am Knochen zu haben. Was aber hat Carnosin mit Beta-Alanin zu tun? Ein möglicher Grund der Ermüdung bei intensiven Belastungen ist die Säurebildung in den Muskeln. Puffert man in solchen Situationen die Säure mit Substanzen wie dem Natrium-Bicarbonat, kann man oft mehr leisten (2). Vor gut 50 Jahren konnte genau dieser Effekt beim Carnosin beobachtet werden, als es die Ermüdung von im Reagenzglas stimulierten Froschschenkeln verzögerte (3). Die frühesten Versuche beim Menschen wurden erst 1995 und 2006 durchgeführt. Das eingesetzte Carnosin war aber niedrig dosiert und man erkannte keine Verbesserung der Leistung.

Beta-Alanin als Vorläufer von Carnosin

Carnosin besteht aus den Aminosäuren L-Histidin und Beta-Alanin und die verfügbare Menge an Beta-Alanin limitiert die Bildung des Carnosins in den Muskelzellen. Logische Schlussfolgerung: Eine Supplementierung mit Beta-Alanin könnte daher den Carnosingehalt erhöhen, ohne dass dafür Carnosin eingenommen werden muss. Dies wäre von Vorteil, da Beta-Alanin günstiger ist als Carnosin und Carnosin sowieso zum grössten Teil sofort nach der Aufnahme zu Beta-Alanin und Histidin abgebaut wird (4). Nach ersten Versuchen an Rennpferden konnte 2006 auch beim Menschen bestätigt werden, dass Beta-Alanin den Carnosingehalt in den Muskeln erhöht (5). Ein höherer Carnosingehalt müsste wegen seiner Wirkung als Puffer in den Muskelzellen höhere intensive Leistungen ermöglichen.

Die in den letzten zehn Jahren durchgeführten Studien zeigen diesbezüglich folgendes Bild: Bei täglich 4–6 Gramm Beta-Alanin während 2–10 Wochen sieht man in diversen (aber lange nicht allen) Studien, dass bei Belastungen von mindestens 1 bis knapp 10 Minuten die Leistung durchschnittlich um knapp drei Prozent verbessert wird (6–8). Wenn bei längeren Belastungen zwischendurch Sprints von Bedeutung sind, könnte Carnosin für solche Efforts nützlich sein. Der mögliche positive Effekt von Beta-Alanin muss aber im gesamten Kontext betrachtet werden. So soll Carnosin neben seiner Wirkung als Puffer auch antioxidative Eigenschaften haben (9). Dies wäre für den Ausdauersport aufgrund des möglichen Ausbleibens von Trainingseffekten eher unerwünscht, insbesondere da einmal erhöhtes Carnosin auch mehrere Monate erhöht bleibt. Beta-Alanin ist seinerseits nicht nur Vorläufer von Carnosin, sondern auch ein Neurotransmitter. Entsprechend ist eine häufig beobachtete Nebenwirkung nach einer Beta- Alanin-Einnahme die sogenannte Parästhesie, ein Kribbeln, Stechen oder Jucken auf der Haut6. Diese Nebenwirkung kann aber erheblich gesenkt werden, wenn eine langsam verfügbare Form des Beta-Alanins in niedriger Dosierung genutzt wird (10).

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Pauschalfazit schwierig

Die grosse ungeklärte Frage ist, ob bei wiederholter Supplementierung mit Beta-Alanin weitere Nebenwirkungen auftreten. Daher ist auch die wissenschaftliche Gemeinde zurzeit gespalten. Während die einen das Beta-Alanin für intensive Belastungen durchaus empfehlen8, geben sich die anderen abwartend und fordern mehr Informationen bezüglich der langfristigen Sicherheit (11). Eine abschliessende Einstufung von Beta-Alanin ist daher zurzeit nicht möglich. Wer Beta-Alanin testen will, sollte auf alle Fälle zuvor die möglichen positiven wie auch negativen Nebeneffekte abwägen und idealerweise eine Fachperson in Sporternährung zurate ziehen.

Ernährungs-Experte Dr. Paolo Colombani ist wissenschaftlicher Berater mit eigener Firma.

Quellen:
(1) Hofmann KA. Ber. dtsch. chem. Ges. A/B 1934; 67: A9–A12
(2) Carr AJ et al. Sports Med. 2011; 41: 801–14
(3) Boldyrev AA. Biochemistry Mosc. 2012; 77: 313–26
(4) Gardner ML et al. The Journal of Physiology 1991; 439: 411–22
(5) Harris RC et al. Amino Acids 2006; 30: 279–89
(6) Bellinger PM. J Strength Cond Res 2014; 28: 1751–70
(7) Hobson RM et al. Amino Acids 2012; 43: 25–37
(8) Trexler ET et al. J Int Soc Sports Nutr 2015; 12: 30
(9) Boldyrev AA et al. Physiol. Rev. 2013; 93: 1803–45
(10) Décombaz J et al. Appl.Physiol.Nutr.Metab. 2013; 38: 766–72
(11) Quesnele J et al. Int.J.Sport Nutr.Exerc.Metab. 2014; 24: 14–27

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