Bildquelle: © Andreas Gonseth

Effizient schwimmen ist wie ein Puzzle; erst wenn jedes Teil an seinem richtigen Platz ist, stimmt das Gesamtbild.  Sieben Schlüsselstellen für Kraulschwimmer.

1. Wasserlage

Idealerweise liegt der Körper möglichst «hoch» im Wasser. Das heisst: Kopf, Rumpf und Beine bilden ein im Wasser schwebendes Brett an der Wasseroberfläche, bei dem der vorantreibende Körper am wenigstens Widerstand erfährt. Die Wasserlage ist naturgegeben und hängt mit der spezifischen Fettverteilung des Schwimmers zusammen. Weil Frauen einen höheren Fettanteil als Männer aufweisen und auch, weil dieses Fett fürs Schwimmen günstiger verteilt ist (an den Oberschenkeln/Hüften), liegen Frauen naturgemäss besser im Wasser als Männer. Dies kriegen insbesondere starke Läufer zu spüren, die wenig Körperfett und eine starke Beinmuskulatur aufweisen. Bei Frauen wirkt sich zudem der faustgrosse Hohlraum der Gebärmutter positiv auf die Wasserlage aus. So zentral die Wasserlage fürs Schwimmen auch ist, antrainieren lässt sie sich nur bedingt.

Zentral: Eine gespannte Gesäss- und Rückenmuskulatur (Fünfliber zwischen den Pobacken einklemmen!) hilft enorm dabei, den Körper hoch zu halten. Im Falle einer schlechten/tiefen Wasserlage heisst der Schlüssel: Rumpfspannung und -stabilität.

Trainingstipps Wasserlage
Anfänger: Regelmässiges klassisches Rumpfstabilitätstraining an Land, dabei immer auch erschwerende Elemente mit Armbewegungen einbauen. Beispielsweise im Seitstütz den freien Arm heben und senken, im Bauchstütz einen Arm nach vorne und zur Seite führen, etc.
Fortgeschrittene: Lernen, im Wasser zu schweben: Flugzeug und Seestern mit Auftriebshilfen üben, diese mit der Zeit immer kleiner wählen. Hilfestellung durch Zweitperson, grosser Pull-Buoy zwischen den Fussknöcheln, kleiner Pull-Buoy zwischen den Fussknöcheln und/oder Knien, Pool-Noodle an den Füssen, Champagnerkorken zwischen den Zehen.
Könner: Anspruchsvolle Paddelübungen wie Frontpaddeln, Torpedopaddeln, Delfinpaddeln, Rückwärtspaddeln etc. Zu Beginn evtl. mit Auftriebshilfen oder Mini-Beinschlag üben, später ganz ohne Beinschlag.

2. Kopfposition

«Der Kopf steuert die Bewegung» lautet ein Gebot aus der Schwimmtheorie. Dass es stimmt, lässt sich leicht überprüfen. Stossen Sie sich ca. 50 m unter der Wasseroberfläche von der Wand in Pfeilposition ab und halten Sie dabei das Kinn leicht in Richtung Brustbein gesenkt. Die Folge: Sie schwimmen nach unten zum Poolboden. Umgekehrt funktioniert auch: Sobald man den Kopf nach Abstoss von der Wand anhebt, steuert der Körper in Richtung Wasseroberfläche. Kopfstellung und Wasserlage sind eng miteinander verknüpft, weshalb der Schlüssel zu einer ruhigen, hohen und gestrecken Wasserlage auch im Kopf liegt.

Zentral: Beim Kraulschwimmen blickt man idealerweise senkrecht nach unten auf den Boden und hält den Kopf in gerader Verlängerung der Wirbelsäule. Je schlechter die Wasserlage, desto wichtiger der senkrechte Blick nach unten! Zur Orientierung im Hallbenbad oder Open Water reicht es in der Regel, alle zehn bis fünfzehn Züge nach vorne zu blicken.

Trainingstipps Kopfposition
Anfänger: Anfänger erlernen die korrekte Kopfposition beim Kraul am besten, indem sie längere Strecken mit einem Frontschnorchel (vereinfachend: mit Flossen) schwimmen.
Fortgeschrittene: «Spielen» Sie mit der Kopfstellung beim Kraulschwimmen, um zu erfahren, was eine zu tiefe oder zu hohe oder auch eine seitlich abgeknickte Kopfposition ausmacht. Halten Sie den Kopf beim Kraulschwimmen eine Bahn lang übertrieben weit nach unten, dann eine Bahn übertrieben weit nach oben, dann zur Seite abgewinkelt. Am Ende folgt die «Erlösung» und (hoffentlich ein Aha-Erlebnis), wenn der Blick gerade nach unten weist und Kopf und Körper hoch und gerade liegen.
Könner: Fortgeschrittene Schwimmer dehnen die Kopfsteuerung auf allen Lagen aus und spielen damit. Delfin: Kopf nur so weit nach vorne aus dem Wasser heben, damit die Kinnspitze gerade noch im Wasser ist, Blick schräg nach unten vorne ins Wasser gerichtet. Rücken: Balancieren einer halbvollen PET-Getränkeflasche auf der Stirn, Kopf dabei absoltu ruhig mit Blick nach oben halten. Brust: Einen Tennisball unter dem Kinn einklemmen.

3. Atmung

Die Atmung erfolgt beim Kraulschwimmen im Idealfall in einem wechselseitigen 3er-Rhythmus zur Seite. Das heisst: Armzug rechts ohne atmen, Armzug links ohne atmen, Armzug rechts mit atmen usw. Der Kopf bleibt so lange in der Atmenposition auf der Seite liegen, bis die Hand in der Rückholphase neben dem Kopf erscheint. Der Kopf dreht sich wieder in die gerade Stellung zurück, während die Hand sich nach vorne ins Wasser ausstreckt. Atempositionen schräg nach hinten, nach oben an die Decke oder nach vorne sind micht erwünscht, da sie sich wie oben Beschrieben sehr ungünstig auf eine hohe, gestreckte Wasserlage auswirken.

Zentral: Der Kopf dreht sich beim Atmen nur gerade 90-95 Grad zur Seite, das untere Auge bleibt im Wasser und blickt unter Wasser an die Wand. Wem in der Seitenatmung das Wasser in den Mund läuft, soll nicht den Kopf weiter ausdrehen, sondern lediglich das Kinn ein wenig nach oben anheben, damit der Mund freiliegt.

Trainingstipps Atmung
Anfänger: Um Zeitpunt und Position der Atmung beim Kraulschwimmen zu erlernen und festigen, empfiehlt es sich, anfangs einseitig (also in einem 2er-Rhythmus) zu üben. Unbedingt beide Seiten trainieren und nicht nur die «Schokoladenseite» bedienen! Abschlagschwimmen mit Brett einseitig, 2er-Abschlag mit Brett und bei jdem 2. Armzug atmen, Kraul einarmig mit 2er-Atmung, 2er-Abschlag am Brett wechselseitig. Einfacher: Mit Flossen.
Fortgeschrittene: Mit der Kopfposition beim Atmen «spielen», das heisst eine Bahn den Kopf übertrieben weit nach oben drehen, eine Bahn den Kopf nach vorne heben, eine Bahn den Kopf nach hinten drehen, um am Ende zu realisieren, wie ökonomisch und angenehm sich die direkte Seitenatmung anfühlt.
Könner: Schwimmen Kraul nicht nur mit 3er-Atmung, sondern trainieren die Leistungserbringung unter Sauerstoffschuld (Hypoxietraining). Etwa mit Atempyramiden (3-5-7-9-7-5-3), Schnelligkeitstraining mit 5er- oder gar 7er-Atmung oder einem Mix von reduzierter Seiten- und bewusster Fronatmung, wie sie im Open Water zur Anwendung kommt.

4. Körperrotation

Beim Kraul-, aber auch beim Rückenschwimmen bildet die Körperrotation um die Längsachse ein wichtiger Bestandteil im ökonomischen und effizienten Vorankommen. Die Philosophie von «Total Immersion» vergleicht der Körper des Schwimmers mit einem Schiffsbug. Wer den Körper bei jedem Armzug un die Längsachse zur Seite rotiert, macht sich dabei schlank und lang wie ein Ruderboot. Schwimmt man ohne Rotation Kraul, so liegt man wie ein breites Fischerboot im Wasser, das kräftig Widerstand erzeugt.

Zentral: Sich bei jedem Eintauchen des Arms möglichst lang ausstrecken und den Körper so weit zur Seite abdrehen, dass die Schulter des Zugarms völlig frei aus dem Wasser schaut und keinen Wasserwiderstand generiert. In einer ausrotierten Position ist der Körper am längsten; und zudem hat der Arm viel Raum für einen hohen Ellbogen in der Rückholphase, auch und gerade bei eingeschränkter Beweglichkeit.

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Trainingstipps Körperrotation
Anfänger: Viele Übungen lassen einen die Seitenrotation deutlich erfahren: Superman einseitig, Superman mit 6er-Wechsel, Superman im 3er-Wechsel. Zu Beginn sind Flossen von Vorteil.
Fortgeschrittene: Schraubenschwimmen, Antennenkraul, Kraul mit Schulter-Schläfe-Tippen.
Könner: Konzentrieren sich bei Sprintserien einmal auf die Rotation in den Hüften und versuchen, den Bewegungsimpuls für die Armarbeit mit der Hüftdrehung einzuleiten. Einige amerikanische Spitzenschwimmer verwenden dazu das Schwimmmetronom von Finis als Taktgeber.

5. Beinschlag

Sehr häufig weisen Sportler, die beim klassischen Beinschlagtraining mit Brett auf der Stelle treten, eine zu geringe Beweglichkeit in den Füssen auf. Oder es stellt sich heraus, dass sie zwar aktiv nach unten schlagen, den Rückstoss jedoch zu kraftlos ausführen. Ein weiterer Grund für ineffizienten Beinschlag ist das sogenannte «Velofahren», bei dem die Knie zu stark gebeut sind, die Oberschenkel fast senkrecht zur Schwimmrichtung stehen und dementsprechend bremsend wirken. Ebenfalls unerwünscht: Weit zur Seite geöffnete Beine. Idealerweise bleiben die Beine und Füsse jederzeit in der Achse, so dass sich die grossen Zehen immer fast berühren.

Wer seine Füsse nur mit Mühe strecken kann, könnte viel Zeit in Fussgymnastik investieren, um die Füsse beweglicher zu machen. Oder aber einen aktiven Beinschlag aus seinem Bewegungsprogramm streichen und sich darauf konzentrieren, die Beine möglichst ruhig zu halten und nur zum Stabilisieren der Körperlage einzusetzen. Je weniger die Beine bremsen, desto effizienter. Wer beim Schwimmen wirklich auf Schub aus den Beinen baut, kommt nicht darum herum, diese regelmässig zu trainieren, denn die Beinmuskulatur ist ein richtiggehender «Sauerstofffresser». Wer überzockt, wird sauer und schwimmt sinnbildlich in die «Wand». Sprinter benutzen einen sogenannten 6er-Beinschlag (3 Beinschläge pro Armzug), während Langstreckenschwimmer und Triathleten einen 4er- oder 2er-Beinschlag einsetzen.

Zentral: Der Beinschlag ist der eigentliche Motor im Kraulschwimmen, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind. 1. Gute Flexibilität im Fussgelenk, 2. Gleichmässige Ab- und Aufwärtsbewegung aus der Hüfte mit locker einwärts gedrehten Füssen (ohne angewinkelte Knie, Flex-Füsse oder geöffnete Beine). 3. Regelmässiges Training.

Trainingstipps Beinschlag
Anfänger: Überprüfen ihren Kraul-Beinschlag, indem sie ihn in Rückenlage ausführen und sich mit gestreckten Armen ein Brett über die Knie halten. Stossen die Knie am Brett an, so ist das ein deutliches Indiz fürs «Velofahren». Knie strecken!. Bei der gleichen Übung sollten ausserdem gleichmässige Wassersprudel über den Zehen zu sehen sein. Fehlen diese, fehlt der Aufwärtsschlag fehlt.
Fortgeschrittene: Sinnvoller als das klassische «Beineschwimmen mit Brett» ist es, Kraulbeinschlag vertikal im Wasser stehend, in Rücken- oder Seitenlage oder aber mit Frontschnorchel auszuführen. Hier entspricht die Körperposition der natürlichen Wasserlage beim Kraulschwimmen, ohne den Nacken zu überstrecken oder im hohlen Kreuz zu hängen. Wers schwieriger mag, führt Kraulbeinschlag in Rücken- oder Seitenlage aus und streckt den freien Arm nach oben-aussen aus (bei Rücken: beide Arme nach aussen strecken). Einfacher: mit Flossen.
Könner: Geht es darum, die Sauerstoffschuld in den Beinen zu trainieren, greifen Spitzenschwimmer gerne aufs Schwimmbrett zurück. Hier geht es nicht mehr darum, einen korrekten Beinschlag zu festigen, sondern einzig um das Ausführen von «Kotzserien», die übrigens auch mit Flossen ihre Wirkung entfalten.

6. Armzug unter Wasser

Idealerweise streckt sich der Arm nach dem Eintauchen der Fingerspitzen gerade (in der Verlängerung der Körperachse) weit nach vorne aus bei gleichzeitiger Körperrotation zur Seite. Jetzt hat man die perfekte Ausgangslage, um einen maximalen Abruck unter Wasser einzuleiten, indem man den Unterarm möglichst früh nach unten einklappt, während der Ellbogen hoch oben stehen bleibt. Häufige Fehler: Überkreuztes Eintauchen, was den Körper ins Schlingern bringt. Und: Der gestreckte Arm wird erst gerade in Richtung Boden geführt, bevor dann viel zu spät die Anwinklung des Ellbogens erfolgt. Damit verschenkt man sich bei jedem Zug wertvolle Fläche im Abdruck.

Zentral: Je länger man sich streckt, desto effektiver der Abdruck; vorausgesetzt, man stellt so früh wie möglich den Ellbogen an. Ebenfalls beachten: Der ausgestreckte Arm wird so lange vorne liegengelassen, bis der andere Arm (der sich jetzt in der Rückholphase befindet), das Wasser verlassen hat.

Trainingstipps Eintauch- und Abdruckphase
Anfänger: Üben die Grundbewegung der Eintauch- und Abdruckphase am besten einarmig und mit Flossen. Auch Abschlagschwimmen mit oder ohne Fingerpaddles helfen beim Erlernen einer korrekten Eintauch- und Abdruckphase.
Fortgeschrittene: Perfektionieren den «hohen Ellbogen» unter Wasser mit einer Vielzahl von Übungen: Hundecrawl, Kippfensterpaddeln, Scheibenwischerpaddeln, Kraul einarmig «nature», mit Faust oder Fingerpaddle.
Könner: Gestreckte Arme, eine lange Körperposition und hohe Ellbogen unter Wasser sind nicht nur beim Kraulschwimmen, sondern auch in allen anderen Lagen elementar. Daher gehören oben genannte Übungen ins Repertoire jedes Lagenschwimmers.

7. Armzug Rückholphase

Im Idealfall wird die Abdruckhand so weit wie möglich nach hinten Richtung Füsse geführt, bevor sie das Wasser verlässt und damit die Rückholphase einleitet. Wer die Hand bereits auf Hüfthöhe aus dem Wasser hebt, verschenkt wertvolle Zentimeter im Abdruck. Jetzt gilt es, den Arm möglichst auf direktem Weg nach vorne zur Eintauchposition zu führen. Umwege in der Rückholphase über die Seite haben unerwünschte Zentrifugalkräfte zur Folge, die den Körper ins Schlingern bringen.

Zentral: In der Rückholphase sollte der Arm mit einem hohen Ellbogen parallel zur Körperachse nach geführt werden. Der Ellbogen führt die Bewegung an und ist allzeit der höchste Punkt, während der Unterarm und Hand inaktiv und entspannt nach unten baumeln.

Trainingstipps Rückholphase
Anfänger: Einfache Übungen zum Erlernen einer kraftsparenden und ökonomischen Rückholphase sind Oberschenkeltippen, Schultertippen, Reissverschluss.
Fortgeschrittene: Üben Furchenkraul, Spinnenfinger oder Antennenkraul.
Könner: Lagenschwimmer üben die Rückholphasen wie folgt: Bei Delfin die Daumen durchs Wasser ziehen, während die Handrücken nach vorne zeigen. Bei Rücken an die Nase tippen, bei Brust in die Hände klatschen.

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